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Die Auswirkungen und Folgen der russischen Revolution für die Weltkultur
(Ein Briefwechsel)
Vorgelesen am 5. Oktober
Berlin, 24. September 1924.
Sehr geehrter Herr Kraus!
Im Auftrage der Redaktion der wöchentlich erscheinenden Moskauer illustrierten »Krassnaja Niva«, der verbreitetsten literarischen Zeitschrift, die von Lunatscharsky (Kommissär für Volksaufklärung) und Stekloff (Redakteur der Zeitung »Iswestija«) redigiert wird, wenden wir uns in folgender Angelegenheit an Sie.
Die »Krassnaja Niva« hat zum Jahrestag der Oktoberrevolution eine Enquete unter den hervorragendsten Persönlichkeiten auf dem Gebiete der Kunst und Literatur unternommen, um auf diesem Wege festzustellen, was die russische Oktoberrevolution 1917 für die Weltkultur geleistet hat. Die Frage ist:
Welcher Art sind Ihrer Auffassung nach die Auswirkungen und Folgen der russischen Revolution 1917 für die Weltkultur?
Wir erlauben uns, Sie höfl. zu bitten, an der Enquete teilnehmen zu wollen und Ihre werte Antwort – zehn bis zwanzig Druckzeilen – wenn möglich mit Ihrem Bild und Autogramm, das gleichzeitig veröffentlicht wird, bis spätestens 10. Oktober an unser Büro einzusenden.
Indem wir Ihnen im Voraus herzlich danken, hoffen wir sehr bald im Besitze Ihrer w. Antwort zu sein, und zeichnen
hochachtungsvoll
Vertreter der »Iswestija« und »Krassnaja Niva«.
J. Gakin
Wien, 4. Oktober 1924.
Sehr geehrter Herr Gakin!
Die Auswirkungen und Folgen der russischen Revolution für die Weltkultur bestehen meiner Auffassung nach darin, daß die hervorragendsten Vertreter auf dem Gebiete der Kunst und Literatur von den Vertretern der russischen Revolution aufgefordert werden, in zehn bis zwanzig Druckzeilen, wenn möglich mit ihrem Bild und Autogramm, das gleichzeitig veröffentlicht wird, also ganz im Geiste des vorrevolutionären Journalismus ihre Auffassung von den Auswirkungen und Folgen der russischen Revolution für die Weltkultur bekanntzugeben, was sich manchmal tatsächlich in vorgeschriebenen zehn bis zwanzig Druckzeilen durchführen läßt.
Hochachtungsvoll
Karl Kraus
(Die Fackel Nr. 668-675, S. 80f. [1924])