Ein deutscher Held
Vorletzten Sonntag wurde Clemens August Kardinal von Galen, der "Löwe von Münster", in den Kreis der Seligen aufgenommen. Und was man so hört, gibt sein Leben ja auch genug Stoff für eine Seligenlegende ab: Der mutige Bischof predigt öffentlich gegen die Vernichtung "lebensunwerten" Lebens, und seine tapfere Gemeinde beschützt ihn vor den Nazis. Eine schöne Widerstandslegende.
Leider ist das noch nicht die ganze Geschichte, weshalb in den "Westfälischen Nachrichten" vom 5. Oktober allerlei Verrenkungen angestellt werden mussten. So äußerte der münstersche Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte, Harald Wagner: "Der eigentliche Stein des Anstoßes ist, so scheint es jedenfalls, bei vielen Zeitgenossen der Gedanke, der Kardinal könne den Russlandfeldzug gutgeheißen und sich so als ein Verfechter des Angriffskrieges erwiesen habe [Fehler im Original]. (...) Allerdings ist Befürwortern eines Krieges nicht allein schon deshalb abzusprechen, dass sie ein "heiliges" Leben führen könnten. Heilige (z. B. Bernhard von Clairvaux) haben für die Kreuzzüge gepredigt. [...] Es wäre vor solchem Hintergrund mehr als anachronistisch, die Einstellung des deutschen Episkopats, inkl. Galens, zu verdammen." So ähnlich werden Historiker eines Tages über die guten Beziehungen Karol Woytilas zu den Diktaturen Lateinamerikas hinwegsehen. Man könnte jetzt besserwisserisch einwenden, dass die katholische Kirche nach eigenen Angaben einen Prediger verehrt, der seine Anhänger zur Feindesliebe aufgerufen hat. Aber warum die Kirche an ihren eigenen Normen messen, wenn diese Normen doch offensichtlich nichts taugen? Noch einmal Wagner: "Die (...) Selig- oder Heiligsprechungsformel möchte in der Kirche und für die Kirche bestätigen, dass ein Mensch ein evangeliumsgemäßes Leben gelebt hat. In der kirchlichen Amtssprache heißt das: ein Leben in Glaube, Hoffnung und Liebe."
Im Auftrag des münsterschen Aschendorff-Verlags, der auch die "Westfälischen Nachrichten" verlegt und jetzt mit einem neuen Galen-Buch Kasse machen will, schreibt an gleicher Stelle der Historiker Ludger Grevelhörster: "Für Clemens August handelte es sich also offenbar um einen der traditionellen kirchlichen Lehre nach ´gerechten Krieg´, den eine rechtmäßige Obrigkeit mit gerechtem Grund und richtiger Absicht führte. Als Einverständnis zu einem rasseideologisch begründeten Ausrottungs- oder Vernichtungskrieg (...) waren diese Erklärungen indes nicht zu werten." Der Vernichtungskrieg der rechtmäßigen nationalsozialistischen Obrigkeit war an sich schon eine gute Idee; nur ausgeführt wurde sie schlecht. Da haben die schätzungsweise 27 Millionen toten Untermenschen leider Pech gehabt. So bekam also ein Propagandist des NS-Vernichtungskrieges im Beisein eines mittlerweile Papst gewordenen Hitlerjungen seine wohlverdiente Seligsprechung, damit der Aschendorff-Verlag und andere Historiker ihr Galen-Merchandising verkaufen können. Und auf der Titelseite der "Westfälischen Nachrichten" konnte Verteidigungsminister Struck mit Rückendeckung seiner Militärseelsorger die nächsten Heldentaten unserer Jungs ankündigen: "In den vergangenen 15 Jahren ist die ganze Welt zum Einsatzgebiet der Bundeswehr geworden." Gestern gehörte uns nur Deutschland. Und heute sind wir Papst.
PS: „Ein verbissen und nicht ohne akademische Eitelkeiten geführter „Historikerstreit“ hat zuletzt noch einmal Fragen bezüglich der Person und des Wirkens des „Löwen von Münster“ aufgeworfen. Dabei wird freilich nur selten bedacht, dass eine Seligsprechung eben keine historischen Detailinterpretationen bewertet oder ein Urteil über politisch korrektes Verhalten nach dem Geschmack unserer Zeit fällt.“ (Johannes Loy, „Westfälische Nachrichten“ vom 10. Oktober 2005)
Leider ist das noch nicht die ganze Geschichte, weshalb in den "Westfälischen Nachrichten" vom 5. Oktober allerlei Verrenkungen angestellt werden mussten. So äußerte der münstersche Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte, Harald Wagner: "Der eigentliche Stein des Anstoßes ist, so scheint es jedenfalls, bei vielen Zeitgenossen der Gedanke, der Kardinal könne den Russlandfeldzug gutgeheißen und sich so als ein Verfechter des Angriffskrieges erwiesen habe [Fehler im Original]. (...) Allerdings ist Befürwortern eines Krieges nicht allein schon deshalb abzusprechen, dass sie ein "heiliges" Leben führen könnten. Heilige (z. B. Bernhard von Clairvaux) haben für die Kreuzzüge gepredigt. [...] Es wäre vor solchem Hintergrund mehr als anachronistisch, die Einstellung des deutschen Episkopats, inkl. Galens, zu verdammen." So ähnlich werden Historiker eines Tages über die guten Beziehungen Karol Woytilas zu den Diktaturen Lateinamerikas hinwegsehen. Man könnte jetzt besserwisserisch einwenden, dass die katholische Kirche nach eigenen Angaben einen Prediger verehrt, der seine Anhänger zur Feindesliebe aufgerufen hat. Aber warum die Kirche an ihren eigenen Normen messen, wenn diese Normen doch offensichtlich nichts taugen? Noch einmal Wagner: "Die (...) Selig- oder Heiligsprechungsformel möchte in der Kirche und für die Kirche bestätigen, dass ein Mensch ein evangeliumsgemäßes Leben gelebt hat. In der kirchlichen Amtssprache heißt das: ein Leben in Glaube, Hoffnung und Liebe."
Im Auftrag des münsterschen Aschendorff-Verlags, der auch die "Westfälischen Nachrichten" verlegt und jetzt mit einem neuen Galen-Buch Kasse machen will, schreibt an gleicher Stelle der Historiker Ludger Grevelhörster: "Für Clemens August handelte es sich also offenbar um einen der traditionellen kirchlichen Lehre nach ´gerechten Krieg´, den eine rechtmäßige Obrigkeit mit gerechtem Grund und richtiger Absicht führte. Als Einverständnis zu einem rasseideologisch begründeten Ausrottungs- oder Vernichtungskrieg (...) waren diese Erklärungen indes nicht zu werten." Der Vernichtungskrieg der rechtmäßigen nationalsozialistischen Obrigkeit war an sich schon eine gute Idee; nur ausgeführt wurde sie schlecht. Da haben die schätzungsweise 27 Millionen toten Untermenschen leider Pech gehabt. So bekam also ein Propagandist des NS-Vernichtungskrieges im Beisein eines mittlerweile Papst gewordenen Hitlerjungen seine wohlverdiente Seligsprechung, damit der Aschendorff-Verlag und andere Historiker ihr Galen-Merchandising verkaufen können. Und auf der Titelseite der "Westfälischen Nachrichten" konnte Verteidigungsminister Struck mit Rückendeckung seiner Militärseelsorger die nächsten Heldentaten unserer Jungs ankündigen: "In den vergangenen 15 Jahren ist die ganze Welt zum Einsatzgebiet der Bundeswehr geworden." Gestern gehörte uns nur Deutschland. Und heute sind wir Papst.
PS: „Ein verbissen und nicht ohne akademische Eitelkeiten geführter „Historikerstreit“ hat zuletzt noch einmal Fragen bezüglich der Person und des Wirkens des „Löwen von Münster“ aufgeworfen. Dabei wird freilich nur selten bedacht, dass eine Seligsprechung eben keine historischen Detailinterpretationen bewertet oder ein Urteil über politisch korrektes Verhalten nach dem Geschmack unserer Zeit fällt.“ (Johannes Loy, „Westfälische Nachrichten“ vom 10. Oktober 2005)
Stephan - 20. Okt, 20:43
Trackback URL:
https://slh.twoday.net/stories/1077196/modTrackback