Werner Tötges died for your sins

Es steht schon in der Bibel: Wer im Glashaus sitzt, läßt besser die Uzi stecken. Neun von zehn Leuten, die sich über die Dummheit der BILD-Zeitung mokieren, sind begeisterte Spiegel-Leser oder gucken Sabine Christiansen. Es ist aber so: Wenn Journalisten ihren Job machen, heißt das meistens leider nicht, dass das Publikum hinterher schlauer ist. (Wer erinnert sich eigentlich noch an den Kosovo-Krieg?) Wenn ich im Folgenden also die eine oder andere unfreundliche Bemerkung über BILD mache, möchte ich das nicht als Lob für die restliche Presse verstanden wissen.
Wie ich darauf komme? Der gute Kollege Buhrs hat mich gestern zu meinem Glück an die Ausstrahlung der Böll-Verfilmung "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" erinnert. Dank dieses Films habe ich nun einen Vorwand fürs BILD-Bashing, und ich nutze ihn gerne.
Abgesehen vom Thema Linksterrorismus ist der Film nämlich brandaktuell. Typen wie der fiese Werner Tötges moderieren heute Boulevardsendungen bei privaten und öffentlich-rechtlichen TV-Sendern, und BILD ist zu ihrem Leitmedium geworden. (Bei der Beerdigungsszene am Schluß mußte ich an Peter Boenisch denken. Das liegt aber nicht an mir, sondern an Peter Boenisch.) Bis heute kriegt jeder unbotmäßige Politiker von BILD eine Schlagzeile über den Scheitel gezogen, weswegen sie bei Springer auch alle kuschen: Der Schröder ebenso wie die Merkel, der Stoiber wie der Lafontaine. Kohl hatte als Pressesprecher einen ehemaligen BILD-Redakteur, Schröder hat als Pressesprecher einen ehemaligen BILD-Redakteur. BILD Dir Deine Regierung!
Über die Biographie von Friede Springer heißt es, sie sei "ein packender Wirtschaftskrimi und eine außergewöhnliche Liebesgeschichte", und zumindest das mit dem Krimi wird niemand abstreiten wollen. Man denke an die CIA-Gelder für Springer, die bekannte Hetze gegen "Linksfaschisten" (Danke!*) oder die Kampagne gegen "Florida-Rolf", die sogar eine Gesetzesänderung zur Folge hatte. Man könnte weitere Opfer nennen. Im BILDblog wird über solche Vorgänge erschöpfend berichtet.
Bringt natürlich alles nix, von wegen Kulturindustrie und so. Günter Wallraff hat drei Bücher gegen BILD geschrieben, Prozesse und Verleumdungen über sich ergehen lassen, wurde bespitzelt und abgehört. Der Erfolg: Die Auflage von BILD stieg von vier auf fünf Millionen Stück.
Quod erat demonstrandum.

PS: Demnächst in diesem Theater: BILD-TV!

* Es traf übrigens nicht nur Ohnesorg und Dutschke: "Zehn Tage nach Dutschkes Tod schoß sich Springers Sohn, der Axel Springer hieß, sich aber lieber Sven Simon nannte, verzweifelt eine Kugel durch den Kopf. Sein Motiv wurde in der Öffentlichkeit nie bekannt." (Otto Köhler)

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