The Good German

Hitlers Hehler ist tot. Der respektvolle Nachruf der Tagesschau bemüht sich redlich das unselige Thema zu umschiffen, weshalb es Einiges nachzutragen gibt:

Eine bislang nicht bekannte Geheimoperation der Nazis war das sogenannte "V-Geschäft", der Verkauf von Wertpapieren aus dem Besitz deportierter Juden zur Finanzierung des Krieges. Das Kölner Weltunternehmen Otto Wolff verkaufte solche Wertpapiere im Auftrag der Nazis an den internationalen Börsen. In dieses Geschäft war auch Wolff von Amerongen als Teilhaber des Unternehmens seit 1940 verwickelt, der nach dem Kriege zu einem der wichtigsten Vertreter der deutschen Wirtschaft aufstieg und jahrelang Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages sowie Vorsitzender des Ost-Ausschusses war. [...]
Die Wertpapiere stammten vorwiegend aus jüdischem Besitz in Holland, Belgien und Frankreich und sollten an der internationalen Börse zu Dollars und Schweizer Franken gemacht werden. Harte Devisen waren lebenswichtig für Hitlers Regime, denn mit Reichsmark konnten die Nazis seit Beginn des Krieges die vor allem für die Rüstungsindustrie dringend benötigten Rohstoffe nicht mehr einkaufen. Für diese Transaktionen brauchten die Nazis Unternehmen, die beste Kontakte zur internationalen Finanzwelt unterhielten und die geraubten Wertpapiere unter ihrem Namen verkaufen konnten, wie z.B. die Firma Otto Wolff. Solche Art "Hehlerdienste" waren notwendig, weil das Naziregime im Krieg nicht selbst als Verkäufer auftreten konnte.


"Otto Wolff ist Träger von vielen nationalen und internationalen Auszeichnungen. Im Jahre 2000 wurde er vom Bundespräsidenten mit der höchsten deutschen Ordensstufe für Zivilpersonen, dem Großkreuz des Bundesverdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet."
Hendrik (Gast) - 9. Mär, 21:22

Die nationalen und internationalen Auszeichnungen hat er sich meines Erachtens auch redlich verdient. Du hast recht, wenn Du auf die Kriegsjahre verweist, die fehlen im Film-Nachruf in der Tat (im Textartikel von tagesschau.de schon besser), aber dieser Mann dürfte bei Betrachtung seines ganzen Lebens wohl ein positives Tatenkonto aufgebaut haben.

Stephan - 10. Mär, 00:39

Halt abzüglich der paar Toten die er mit seinem Beitrag zur Verlängerung des Krieges auf dem Gewissen hat...
Hendrik (Gast) - 10. Mär, 17:43

Kann man von dem moralischen Ross erkennen, wie viele Tote auf die Rechnung von Otto gehen oder auf die der 44% NSDAP-Wähler '33 oder auf die restriktive Asylpolitik der Alliierten oder auf die günstigen Wetterbedingungen? Nein? Oh, dann ist es vielleicht etwas zu hoch.
Stephan - 10. Mär, 18:43

Mir geht's gar nicht um Moral - die NSDAP-Wähler von '33 waren zu einem guten Teil die Soldaten von '39 und die Kriegsopfer von '45. Da kritisiere ich nicht dass sie keine Widerstandskämpfer waren, sondern dass sie sich zu ihrem eigenen Schaden haben benutzen lassen. Dass die Alliierten keine Anwälte der Menschenrechte waren sondern mit Nazideutschland hauptsächlich einen Konkurrenten bekämpften ist mir übrigens klar, bloß hat das mit der Beurteilung von "Ottos" Taten nichts zu tun. Selbst wenn "Otto" den Krieg nur um einen Tag verlängert hat kommt da immer noch eine respektable Anzahl Tote zusammen. Wer übrigens an einer Nazi-Geheimoperation teilgenommen hat wird wohl auch selbst überzeugter Nazi gewesen sein. Vermutlich hälst Du ihm den Osthandel zugute, aber da gilt das Gleiche wie bei den Alliierten: Der Mann wollte halt Geschäfte machen und nicht die Russen befreien. In der NATO-Strategie war der Osthandel als eher deutsches Projekt immer dem gemeinsamen Weltkriegsprogramm untergeordnet; wenn Du glaubst der Osthandel habe "uns" den Atomkrieg erspart liegst Du m. E. ziemlich daneben. Wenn die KPdSU nicht aufgegeben hätte würden "wir" heute noch "nachrüsten" - natürlich nur "zur Verteidigung".
Mit meinem Beitrag wollte ich nicht den Tod eines "bösen Mannes" abfeiern und mich nachträglich in den Widerstand einreihen sondern auf eine exemplarische deutsche Karriere hinweisen. Und auf die Heuchelei einer "Zivilgesellschaft", die sich auf ihren "antitotalitären Grundkonsens" wunder was einbildet, aber jahrzehntelang alte Nazis hofiert hat. (Nebenbei: Als Kritiker braucht man sich nicht um die bessere "Moral" zu bemühen. Materialismus ist nicht gleich Egoismus, dafür ist Mitleid ein sehr materialistisches Motiv.)
tobp (Gast) - 10. Mär, 10:06

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