Looking for Friedman

Der Vulgärökonom Milton Friedman ist tot. Spiegel Online würdigt ihn als "Freiheitskämpfer":

Friedman propagierte nach dem Vietnamkrieg - erfolgreich - die Abschaffung des Wehrdienstes. Schon in den sechziger Jahren verdammte er die staatliche Rentenversicherung und setzte sich mit seiner Frau und Kollegin Rose für die private Altersvorsorge ein. Die Schulpflicht gehörte nach Meinung Friedmans abgeschafft, Drogen müssten legalisiert werden - jede Gängelung der Bürger war Friedman ein Graus. "Friedman ist einer der prominentesten und effektivsten Verfechter der menschlichen Freiheit", sagte der Präsident des libertären Cato-Instituts in Washington, William Niskanen, einmal.

Manche Stationen in der Karriere dieses Freiheitskämpfers werden vom Spiegel aber lieber nur so nebenbei erwähnt, weil ja de mortuis und so weiter:

Als Ratgeber stand Friedman auch der britischen Premierministerin Margaret Thatcher zur Seite, und ebenso dem chilenischen Diktator Pinochet.

Auch der war nämlich ein außerordentlich prominenter und effektiver Verfechter der menschlichen Freiheit. Spiegel-Leser wissen mehr.
Manfred (Gast) - 17. Nov, 01:43

Endlich TOT!

Soll man ja tatsächlich nicht. Aber ich muss schlicht kotzen, wenn ich sowas bei SPIEGEL und der WELT lese. Im GgogleNews-Teaser heißt es sogar explizit "Freiheitskämpfer gegen den Staat"! Reagan, Thatcher, Blair, Schröder, Merkel, Metzger - die alle hat doch DIESER TYP seiner asozialen Gehirnwäche unterzogen. Damit hat Milton Friedman mehr Menschenleben auf dem Gewissen als mancher Schurke der Menschheitsgeschichte, dieser Saddam der Ökonomie! *HASS*

Stephan - 17. Nov, 08:57

Vorsicht: "Mittler zwischen Herz und Händen muss stets das Hirn sein." (Thea von Harbou, korrigiert) Die Politiker die Du erwähnst hatten schon eigene Gründe für ihre Politik - und ohne Friedman hätte ihnen halt ein anderer die Rechtfertigungen geliefert. Dass er jetzt tot ist macht die Sache kein Stück besser oder schlechter. Da hilft kein Moralisieren.
Manfred (Gast) - 17. Nov, 13:05

Das ist schon nützlich, aber...

Eine gewisse Erleichterung sei mir/uns doch gestattet, dass eine solch zentrale destruktive Kraft ins Gras gebissen hat. Dass dies per se nichts hilft, ist mir wohl klar. Zumal ich gestern in der Wikipedia erfahren musste, dass seine Brut noch viel schlimmer ist:
http://tinyurl.com/y3kahl
http://tinyurl.com/y35o34
Hendrik (Gast) - 19. Nov, 13:59

Ruhe in Fried', Mann

Interessant. Das heißt also, einem totalitären Staat braucht mal gar nicht erst versuchen, (wirtschaftliche) Freiheit beizubringen? Für mich bedeuten die liberalen Konzepte aus Chicago und von Friedman, dass Chile heute kurz davor steht, in die sogenannte Erste Welt aufzusteigen, dass die Arbeitslosigkeit niedrig ist und das Land im Vergleich zu seinen Nachbarn sehr gut dasteht.
Ich will hier auch nicht die Toten und Verfolgten unter Pinochet schönreden. Aber zu glauben, dass Herr Allende, wäre er nicht entmachtet worden, seine Hände in den Folgejahren in Unschuld gewaschen hätte, ist ja wohl mehr als blauäugig. Soviel zum "Verfechter der menschlichen Freiheit".

Stephan - 19. Nov, 14:38

Ich glaube nicht, dass Friedman den Pinochet unterstützt hat, um den Leuten wenigstens "wirtschaftliche Freiheit" zu bringen. In den meisten Ländern, in denen diese Politik umgesetzt wurde bedeutet sie eher weitgehende Freiheit von sozialer Absicherung. Was Chile im Speziellen angeht sind Spekulationen müßig, aber das Pinochet nur Schlimmeres verhindert hätte ist schon eine ziemlich "totalitäre" Rechtfertigung - Stalin z. B. hat die Opfer der sowjetischen Industrialisierung mit der Bedrohung durch den Faschismus gerechtfertigt, Hitler hat Deutschland unter dem Beifall vieler Liberaler "vor dem Bolschewismus gerettet" usw. Ich halte "Wachstum" durchaus für kein Gottesgeschenk an die hungernden Massen der Dritten Welt, in Staaten wie den USA und Großbritannien kann man schön beobachten wie Wachstum und "absolute" Armut zusammengehen, übrigens ganz besonders seit Reagan und Thatcher. Nur: Noch nicht einmal das mit dem Wachstum scheint so richtig zu stimmen:

Growth in real GDP averaged 8% during 1991-97, but fell to half that level in 1998 because of tight monetary policies (!) implemented to keep the current account deficit in check and because of lower export earnings - the latter a product of the global financial crisis. A severe drought exacerbated the recession in 1999, reducing crop yields and causing hydroelectric shortfalls and electricity rationing, and Chile experienced negative economic growth for the first time in more than 15 years. Despite the effects of the recession, Chile maintained its reputation for strong financial institutions and sound policy that have given it the strongest sovereign bond rating in South America. By the end of 1999, exports and economic activity had begun to recover, and growth rebounded to 4.2% in 2000. Growth fell back to 3.1% in 2001 and 2.1% in 2002, largely due to lackluster global growth and the devaluation of the Argentine peso. Chile's economy began a slow recovery in 2003, growing 3.2%, and accelerated to 6.1% in 2004-05, while Chile maintained a low rate of inflation. GDP growth benefited from high copper prices, solid export earnings (particularly forestry, fishing, and mining), and stepped-up foreign direct investment. Unemployment, however, remains stubbornly high.

Am Zusammenhang von "Monetarismus" und "Wachstum" sind also Zweifel erlaubt - offensichtlich hat Chile in den letzten Jahren vor allem von gestiegenen Rohstoffpreisen profitiert. Verlierer gibt es trotzdem genug:

Ein Drittel der chilenischen Kinder lebt in Armut, und das obwohl Chile in den letzten Jahren ein rasantes Wirtschaftswachstum zu verzeichnen hatte und schon fast nicht mehr als Entwicklungsland anerkannt wird.
Wie in vielen Ländern Lateinamerikas ist in Chile der Gegensatz zwischen Arm und Reich, zwischen modernem Hightech und extremer Unterentwicklung besonders groß. 10 % der ärmsten Bevölkerungsschicht verdienen 1,71 % des Gesamteinkommens, während 10 % der Reichsten 40,29 % erhalten. Das heißt, die 10 % reichsten Familien haben dreimal soviel wie 40% der ärmsten. [...] Die Löhne in Chile sind in allen Berufssparten sehr niedrig im Vergleich zu den Lebenshaltungskosten. Der offizielle monatliche Mindestlohn beträgt seit dem Jahr 2000 € 185,-. Viele Chilenen verdienen jedoch wesentlich weniger. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen beträgt € 256,-, das durchschnittliche Einkommen einer Familie € 990,-. Aber 75% der Chilenen verdienen weniger als das Durchschnittseinkommen. Der Lohn eines Arbeiters pro Stunde beträgt im Durchschnitt 216,88 Pesos (€ -,38).
Hendrik (Gast) - 19. Nov, 15:24

Diese Verlierer haben dank der guten Qualität der chilenischen Institutionen (u.a. sehr niedrige Korruption) deutlich mehr Möglichkeiten zum Aufstieg als im übrigen Lateinamerika. Wenn ein paar Leute reich und viele arm sind ist das glaub ich immer noch besser als wenn ganz wenige reich und alle anderen arm sind wie in Kuba, Venezuela oder Bolivien.

Trackback URL:
https://slh.twoday.net/stories/2944580/modTrackback

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

The Walrus

Stephan (27) * WWU Münster * Deutsche Philologie - Neuere und Neueste Geschichte - * Literatur - Film - Musik

Zuletzt gesehene Filme

Mein Lesestoff


Eric J. Hobsbawm
Das Zeitalter der Extreme


Thomas Pynchon
Die Enden der Parabel.

Aktuelle Beiträge

Goldene Worte meines...
Ich muss entweder mit dem Alkohol oder mit dem Trinken...
Stephan - 31. Aug, 21:39
Goldene Worte meines...
Entweder Du hast Geld oder Du hast Titten! (Über...
Stephan - 13. Apr, 18:55
Ich wußte es immer!
Ich wußte es immer!
Jan (Gast) - 27. Feb, 04:55
Goldene Worte meines...
Hinter Deiner intellektuellen Fassade bist Du doch...
Stephan - 28. Jan, 19:15
Ich könnte die Farbe...
Ich könnte die Farbe wieder von der Tapete kratzen,...
tobp (Gast) - 18. Jan, 18:59

Status

Online seit 7076 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 31. Aug, 21:39

Credits


Auf Sendung
Dagegen!
Gedichte
Ich
Kultura
Medien
The Office
Versuche
Wir sind Superhelden
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren